Als FDP im Freisinger Kreistag setzen wir uns seit Beginn der Pandemie für die Beschaffung von Luftreinigern in den Klassenzimmern ein, weil wir von der Wirksamkeit überzeugt sind und die Notwendigkeit in Anbetracht der pandemischen Entwicklung sehen. Dabei sützen wir uns vor allem auf wissenschaftliche Expertise, die ich in diesem Blog-Beitrag gerne kurz darstelle:
Tests, Maske und Lüften – das reicht doch?
Neben guten Hygienekonzepten mit Selbst- und Schnelltests im Unterrichtsalltag können wir insbesondere durch technische Maßnahmen sowie medizinische Masken die Virenübertragung über die Luft effektiv bekämpfen und das Ansteckungsrisiko weiter reduzieren.
Das Umweltbundesamt schreibt dazu:
Masken (FFP2 und medizinisch) tragen maßgeblich zur Vermeidung direkter Infektionen im Nahfeld (< 1,5 m) und zur Abschwächung der Emission virushaltiger Partikel (alle SARS-CoV-2-Varianten) in der Raumluft bei. Aktuelle Untersuchungen der Universität Bonn mit Bakteriophagen bestätigen die hohe Wirksamkeit von Masken (FFP2 und medizinisch); es wurde eine Reduzierung der infektiösen Aerosolpartikel im Raum um mehr als 99 Prozent nachgewiesen. Die nachfolgend beschriebenen Schutzmaßnahmen [Luftreinigungsgeräte] helfen als Ergänzung vor indirekten Infektionen, d.h. der Ausbreitung von Viren über die Raumluft.
Umweltbundesamt, 9. Juli 2021
Die maximale Tragezeit für Erwachsene einer FFP2-Maske beträgt laut Vorgabe der DGUV (DGUV Regel 112-190, siehe Anlage 2) allerdings grundsätzlich längstens zwei Stunden mit anschließender Mindestserholungsdauer von 30 Minuten. Bei einer FFP-Maske ohne Ausatemventil (meistens verwendet) beträgt die maximale Tragezeit sogar nur 75 Minuten mit anschließender Mindesterholungsdauer von 30 Minuten. Dies beeinträchtigt das Lernen maßgeblich und kann im normalen Schulbetrieb nicht gewährleistet werden. Insbesondere bei Kindern ist das dauerhafte Tragen eines MNS mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden und als Dauerlösung abzulehnen.
Neben regelmäßigen Tests, Abstandsregeln und Handdesinfektion, bieten technische Lösungen als Alternative zum dauerhaften Tragen einer medizinischen Maske den besten Schutz und werden als ergänzende Maßnahme von vielen Wissenschaftlern empfohlen.
Freies Lüften allein reicht nicht aus
Die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) hat in ihrem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung unterstrichen, wie hoch die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen ist und gefordert, dass Raumluftreiniger und Filter überall dort zu installieren sind, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen – dazu zählen explizit Schulen.
Zum gleichen Ergebnis kommt die Studie von Prof. Kähler des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik von der Universität der Bundeswehr München: „Ein Schutzkonzept, das allein auf das freie Lüften vertraut, ist einfach umsetzbar, aber es bietet nur ein Minimum an Sicherheit, da es keinerlei Schutz vor einer direkten Infektion gewährleistet.“
Auch das Center for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA führt in einem Bericht vom 26.02.2021 die Vorzüge von mobilen Luftreinigern mit Filtern der Klasse H13 und H14 aus und verweist auf die Studie aus Harvard für zusätzliche Schutzmaßnahmen.
Zudem ist es wissenschaftlicher Konsens, dass bei geringem Temperaturunterschied zwischen innen und außen (in den wärmeren Monaten) kein nennenswerter Luftaustausch stattfindet. Dann sammeln sich die Aerosole im Klassenzimmer und das Ansteckungsrisiko steigt. Zudem wird im Winter das Lüften nur unzureichend umgesetzt wird, da es schnell kalt wird und zieht.
Außerdem ist die Frischluftzufuhr durch die häufig verbauten Schwing- und Kipp-Fenster (nur kleiner Lüftungsspalt, dass niemand aus dem Fenster fällt) trotz geöffnetem Fenster an vielen Schulen unzureichend. (Interview im Merkur)
Luftreiniger sind hocheffektiv
Eine Studie von Prof. Dr. Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt hat herausgefunden, dass Luftreiniger der Filterklasse HEPA (H13) die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer in einer halben Stunde um 90 Prozent senken können und empfehlen ausdrücklich das Aufstellen entsprechender Luftreiniger in Klassenräumen. Die Lärmbelastung wurde von Schülern und Lehrern überwiegend nicht als störend empfunden. (Link zur Studie: https://doi.org/10.1101/2020.10.02.20205633)
Eine Studie in Baden-Württemberg hat ergeben, dass mobile Raumluftfilter – es waren verschiedene Modelle im Einsatz – das ermittelte Ansteckungsrisiko ohne Maske bei schwächerem Gebläse um knapp 74% senken, bei bei hohem Luftstrom sogar um 85 %. (Link zum SZ-Artikel: https://www.sueddeutsche.de/politik/pandemie-schulen-luftfilter-1.5347433)
Welche Geräte gibt es?
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Luftreinigungs- bzw. Luftfiltergeräten.
1) Fest installierte Raumlufttechnische Anlagen
Die nachhaltigste Maßnahme zur Verbesserung der Innenraumlufthygiene, deren Erfolg auch nach Beendigung der Pandemie anhält, ist der Einbau stationärer (= fest installierter) raumlufttechnischer (RLT)-Anlagen. Diese können als zentrale Anlagen ein Gebäude versorgen, aber auch dezentral als Einzelraumbelüftung realisiert werden. Beide Varianten sichern eine wirksame Reduzierung von Virenbelastungen, sind für Wärme- und Feuchterückgewinnung verfügbar, schonen die Energiebilanz des Gebäudes und gewährleisten einen hohen Wohlfühlkomfort im Innenraum. Einzelraumbelüftungen sind baulich rascher umzusetzen als zentrale Lüftungsanlagen. Anlässlich der Erfahrungen mit der Pandemie empfiehlt das UBA, Schulräume in Deutschland sukzessive mit RLT-Anlagen auszustatten.
Allerdings besitzen bis heute erst rund 10 Prozent der Schulen solche fest installierten Lüftungsanlagen. Zentral gesteuerte RLT-Anlagen lassen sich zudem nur mit beachtlichem baulichem und technischem Aufwand und nach bauordnungsrechtlicher Genehmigung einbauen. Das kostet wertvolle Zeit, die in der aktuellen Pandemie oft nicht zur Verfügung steht.
Umweltbundesamt, 9. Juli 2017
An der Realschule Gute Änger in Freising sowie an der Abenstal Realschule Au hat der Landkreis Freising bereits solche Geräte verbaut. Die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sind hier was die technischen Maßnahmen angeht optimal geschützt.
2) Mobile Luftreiniger mit Hepa-Filter (H12/H14)
Ein Großteil der oben zitieren Studien bezieht sich auf die mobilen Luftreiniger mit Hepa-Filter. Das Umweltbundesamt schreibt dazu:
Zum einen müssen die Geräte in der Lage sein, einen ausreichenden Luftstrom an gefilterter bzw. aufbereiteter Luft bereitzustellen. Unter Pandemiebedingungen wird eine Förderleistung (Luftdurchsatz durch das Gerät) des fünf- bis sechsfachen Raumvolumens pro Stunde als notwendig erachtet, um die Konzentration infektiöser Partikel um eine Größenordnung von bis zu 90 Prozent im Raum bereits während des Unterrichtes (und nicht erst gegen Ende der Unterrichtsstunde) zu reduzieren.
Umweltbundesamt, 9. Juli 2017
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, arbeiten diese mobile Luftreiniger höchst effizient und wirksam, Kritiker bemängeln jedoch die leichte Geräuschkulisse, die die Geräte im Klassenzimmer verursachen.
3) Luftreiniger mit UV-C Technologien, Ionisations- und Plasmatechnologien oder Ozontechnologien
Diese innovativen, neuen Geräte sind im Regelfall nicht nur kostengünstiger, sondern auch leiser als Hepa-Filter. Kritiker haben allerdings auch deren Wirksamkeit bezweifelt. Die Studienlage ist hier aber inzwischen sehr deutlich und belegt die Effektivität von UV-C-Geräten: Studie Heraeus & Studie Fraunhofer Institut (Anlage 1 & Anlage 2)
Diese Geräte saugen die Luft an und tötet organische Partikel wie Viren und Bakterien im Inneren mit starkem UVC Licht ab. Viren werden also nicht wie bei herkömmlichen Luftreinigern mit Hepa-Filter ausgefiltert, sondern dauerhaft abgetötet. Eine Lampe hält ca. 5 Jahre Dauerbetrieb durch. Es gibt somit kaum Folgekosten für Wartung und bedarf keine Filterwechsel. Das System wird in seinen Grundzügen schon seit vielen Jahren verwendet, um z.B. Operationsbesteck 100 % keimfrei zu machen. Die Lautstärke liegt mit 39dB unterhalb des Grenzwertes, den das Umweltbundesamt im Unterricht für störend hält. Für ein Klassenzimmer werden je nach Größe drei bis vier dieser Geräte benötigt.
Bei Luftreinigern, welche die durchgeleitete Luft behandeln (z.B. mit UV-C oder Plasma/Ionisation), ist der Luftdurchsatz so zu wählen, dass die zu behandelnde Luft genügend lange im Wirkungsbereich des Geräts verweilt, damit die Inaktivierung erfolgreich ist.
Umweltbundesamt, 9. Juli 2017
Inzwischen gilt auch das Förderprogramm des Freistaates Bayern für UV-C-Luftreiniger.
Die Empfehlung des UBAs
Das Umweltbundesamt hatte bislang Luftreiniger für nicht notwendig gehalten bzw. nur für einen äußerst kleinen Anteil an Räumen empfohlen – darauf hat sich die Verwaltung des Landratsamtes bei ihrer ablehnenden Haltung gestützt. Inzwischen gibt es jedoch eine neue, aktualisierte Empfehlung, mit der sich auch die Meinung des Landratsamtes ändern dürfte:
Für Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit (keine raumlufttechnische Anlage, Fenster nur kippbar bzw. Lüftungsklappen mit minimalem Querschnitt) soll „als technische Maßnahme die Zufuhr von Außenluft durch den Einbau einfach und rasch zu installierender Zu- und Abluftanlagen erhöht werden. Alternativ ist der Einsatz mobiler Luftreiniger sinnvoll. Fachgerecht positioniert und betrieben ist ihr Einsatz wirkungsvoll, um während der Dauer der Pandemie die Wahrscheinlichkeit indirekter Infektionen zu minimieren.“
Die Verwaltung des Landratsamtes muss auf dieser Basis nun eine Beschlussvorlage vorbereiten, die den Kreisrätinnen und Kreisräte dann als Entscheidungsgrundlage dient. Wie viele Klassenzimmer in diese Kategorie fallen, muss noch ermittelt werden – auch bleibt unklar wie genau diese Räume mit „eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit“ ermittelt werden.
Und weiter?
Uns ist grundsätzlich gleich, für welche technische Lösung sich der Kreistag entscheidet. Wichtig ist, dass wir zügig etwas auf den Weg bringen. Ob UV-C-Luftreiniger, mobile Hepa-Luftfilter oder feste Luffilteranlagen. Hier spielen Kosten und zügige Realisierung jeweils eine große Rolle und die Verwaltung muss einen guten Verfahrensvorschlag machen.
Es wird zeitnah eine Sondersitzung des Schulausschusses einberufen, in der dann über die Beschaffung der Geräte entschieden wird.